Ennigerloh – Neugierig sein, staunen, be-greifen – das ist das Motto des Naturkundlichen Spielwerks in Ennigerloh. Physik zum Anfassen. Doch leider steht der außerschulische Lernort in Ennigerloh vor dem Aus. Da hilft auch der gutgemeinte Rat „Der einfachste Versuch, den man selbst durchführt, ist besser als der schönste Versuch, den man nur sieht.“ des englischen Naturforschers Michael Faraday nichts.
Dem Publikum wird es anscheinend bald nicht mehr möglich sein, Mathematik, Naturwissenschaften und Technik hautnah im Mitmachmuseum erleben sowie selbst ausprobieren und spielend lernen zu dürfen.
Gegründet worden war der Bauhof der Sinne nach der PISA-Studie; das pädagogische Konzept geht zurück auf die Idee des Künstlers und Pädagogen Hugo Kükelshaus und des Physik-Didaktikers Martin Wagenscheid, die die menschliche Wahrnehmung durch unmittelbares Erleben und sinnliche Auseinandersetzungen mit den Phänomenen der Umwelt in den Mittelpunkt stellen wollten. Im Mai 2015 feierte der Bauhof in Ennigerloh sein 10jähriges Bestehen.
Doch nun scheint Schluss zu sein. Der gewährte Zuschuss von 5.000 Euro jährlich sank erst auf 2.500 Euro, ab 2016 erhält der Bauhof keinen einzigen Cent mehr. SPD, FDP und die freie Wählergemeinschaft haben geschlossen gegen die Weiterführung gestimmt. Schuld an diesem Dilemma ist die schwierige finanzielle Lage der Kommune. Bereits im letzten Jahr musste die Drubbelstadt eine Menge Kürzungen vornehmen, um einem Haushaltssicherungskonzept zu entgehen. Unter Anderem war auch der Bauhof der Sinne von der Streichung der Gelder betroffen. SPD, FDP und die freie Wählergemeinschaft begründeten ihre Entscheidung mit der Tatsache, dass der Bauhof durch sehr hohe Nebenkosten geprägt sei und er jedes Jahr erneut durch städtische Geldzuwendungen abgesichert werden müsse.
Bereits vor zwei Jahren stand der Bauhof finanziell mit dem Rücken zur Wand. Auf Antrag gewährte die Stadt Ennigerloh dem Verein für das Haushaltsjahr 2014 einen einmalig, über den jährlichen Zuschuss von 5.000 Euro, hinausschießenden Betrag in Höhe von 7.500 Euro. Verbunden war diese Zuschussgewährung – die angesichts der sehr hohen Betriebs- und Bewirtschaftungskosten des Mitmachmuseums erforderlich war – mit der Auflage des Abschlusses von Kooperationsvereinbarungen mit den Ennigerloher Schulen. Dieser Verpflichtung ist der Bauhof der Sinne nachgekommen.
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Dr. Heinrich Schwippe, ehrenamtlicher Helfer Thomas Heese sowie Frau Schwippe bei einer der vielen Stationen im Bauhof der Sinne
Um den auch durch die vertraglichen Bindungen aller Ennigerloher Schulen mit dem Bauhof der Sinne bestätigten und anerkannten pädagogischen Mehrwert nachhaltig zu sichern, beantragte die CDU-Fraktion, einmalig 2015 die in 2014 gewährten Haushaltsmittel fortzuführen. Gleichzeitig beantragte die CDU, dass die Verwaltung gemeinsam mit dem Trägerverein ein Raumkonzept erarbeitet, welches ab 2016 eine dauerhafte, möglichst kostenneutrale, Verortung des Bauhofs der Sinne ermöglicht. Eine kurzzeitige Schließung des Museums ab 2016 müsse dafür akzeptiert werden.
Bürgermeister Berthold Lülf schlug auf einer Sitzung des Sozialausschusses im März 2015 vor, dem Bauhof mietfrei die Räumlichkeiten des ehemaligen Superschnäppchenmarktes in der Innenstadt anzubieten, da der Bauhof für die Bildungslandschaft Ennigerlohs zweifelsfrei eine bereichernde Wirkung habe und ihm viel daran gelegen sei, das Museum weiterzuführen. Eine Lösung wäre es für Leiter Heinrich Schwippe jedoch nicht gewesen, denn der Verein hätte auch in den neuen Räumlichkeiten sehr hohe Nebenkosten bezahlen müssen. Auch eine räumliche Verortung im Rahmen des Gesamtschulausbaus wäre denkbar gewesen; diese Lösung wäre aber nur durch zusätzliche Baumaßnahmen zu verwirklichen gewesen und wurde daher als Idee fallen gelassen.
Parallel zur Zuschussgewährung durch die Stadt Ennigerloh standen auch Sponsorengelder der Sparkasse Münsterland Ost abrufbereit im Umfang von 2.000 Euro zur Verfügung. Dieser Mittelabruf stand unter dem Vorbehalt der Vorlage eines Konzeptes zur Darstellung der zukünftigen Ausrichtung der Arbeit des Bauhofs der Sinne. Dieses Konzept wurde jedoch nie vorgelegt, so dass die Fördermittel zum Jahresende in andere Bereiche abgeflossen sind.
Da es nicht Aufgabe einer haushaltswirtschaftlich schlecht positionierten Kommune sein kann, eine Einrichtung im freiwilligen Spektrum mit allgemeinen Steuermitteln finanzwirtschaftlich lebensfähig zu halten, die zum Abruf bereitliegender Drittmittel privater Förderer nicht in Anspruch nimmt, da hiermit die Vorlage von Konzepten verbunden ist, wurden im Etatentwurf 2015 der Stadt Ennigerloh keine Haushaltsmittel für die Förderung des Bauhofs der Sinne eingestellt.
Die GAL (Grün-Alternativen Liste) in Ennigerloh plädierte für den Weitererhalt des Bauhofs, da er mit – nicht zuletzt für unsere Schullandschaft – mit seinem vielfältigen Angebot neben anderen Einrichtungen wie dem Kulturzentrum Alte Brennerei Schwake sowie der Katholischen Bücherei ein wichtiger Bestandteil Ennigerlohs sei. Der GAL sei bewusst, dass der Bauhof der Sinne nur durch außerordentliches ehrenamtliches Engagement aufrechterhalten werden könne, das weit über das normal Leistbare hinausgehe. Auch den Vorschlag des Ennigerloher Bürgermeisters, den Bauhof der Sinne in die ehemaligen Räumlichkeiten des Schnäppchenmarktes umziehen zu lassen, fand bei der GAL großen Anklang, da der Bauhof, dann mitten im Stadtzentrum gelegen, mehr Leben in die Innenstadt bringen; außerdem wäre dann der ärgerliche Leerstand mitten im Zentrum beendet.
So entschieden sich die GAL sowie die CDU bei der Frage nach der weiteren Bezuschussung des Bauhofes bei einer der wohl knappsten Abstimmung, die es je bei den Haushaltsplanberatungen gegeben hat, für den Erhalt des Bauhofs; die zuvor genannten anderen drei Parteien stimmten dagegen.
Doch Leiter Heinrich Schwippe will nicht kampflos aufgeben! Mit dem Gedanken, weniger finanzielle Leistungen zu erhalten, hätte er aufgrund der angespannten Haushaltslage noch leben können, aber die Kürzung auf 0 Euro sei einfach nur ein drastischer Einschnitt. Denn wie sollen die monatlichen Nebenkosten in Höhe von 650 Euro und die Kaltmiete von 12.000 Euro im Jahr für die 700 qm großen Räumlichkeiten bezahlt werden? Gehen doch alle Einnahmen direkt für die Miete drauf; so dass keine Ergänzungen oder Ersatzbeschaffungen für die einzelnen Stationen getätigt werden können; von Neuanschaffungen ganz zu schweigen.
Dank einzelner Spenden, zum Beispiel durch den Lions Club Ennigerloh-Münster oder dem Rotary Club Beckum, ist die Kasse des Bauhofs der Sinne nicht ganz leer, denn „das Museum trägt sich nicht allein durch die Eintrittsgelder.“
Mithilfe einer Initiative von Industriellen aus Ennigerloh soll eine Schließung abgewendet werden. Viele namhafte Firmen aus dem Kreis Warendorf haben ihre finanzielle Hilfe angeboten, so dass der derzeitige Betrieb bis Juni 2016 gesichert ist. Wie es danach weitergehen soll, ist dem ehrenamtlichen Verantwortlichen, Dr. Heinrich Schwippe, ein Rätsel.
An allen Stationen kann nach Herzenslust ausprobiert und experimentiert werden. Nach dem zwei- bis dreistündigen Besuch können die Besucher im Laden Physikalische Geschicklichkeitsspiele und Knobelspiele als kleine Experimentierstationen für Zuhause käuflich erwerben. Schwippe weist darauf hin, dass die Exponate im Ausstellungsraum von Handwerksbetrieben stammen; eigens für den Bauhof der Sinne in ihren Lernwerkstätten oder von Studenten angefertigt (Siehe Bericht über den Bauhof der Sinne im Stadtanzeiger vom 26.06.2016)
Schade findet es Schwippe daher, dass die meisten Besucher nicht aus Ennigerloh oder dem Kreis Warendorf stammen, sondern eher aus benachbarten Kreisen. „Wenn man Auswärtige fragt, sagen die, Ennigerloh sei das Tor zum Ruhrgebiet. Aber Ennigerloh hat weit mehr zu bieten. Vielleicht wird es schon bald eine Attraktion weniger haben. Wenn wir jetzt nicht mehr Besucher für uns interessieren können, müssen wir schließen“, wiederholt Schwippe und hofft, mit dem Aufruf viele Bürger zu erreichen. Gleichzeitig will er sich bei allen Spendern bedanken. Seien es Firmen oder aber auch Privatleute. Jede Spende hilft, denn „Kleinvieh macht auch Mist.“
Schade wäre die Schließung auch für die Technik-AG der Gesamtschule, die in Kooperation mit dem Bauhof der Sinne stattfindet. Schwippe sieht im Bauhof einen „unverzichtbaren Baustein in der heutigen Zeit der schulischen Bildung als praktische Ergänzung zum Unterricht und damit quasi auch als Wirtschaftsförderung“, denn das Museum vermittle den Kindern heute Bildung, die sie als Arbeitskräfte von morgen gut gebrauchen könnten. In diesem Zusammenhang weist Schwippe darauf hin, dass Schul- und Gruppenfahrten zum Bauhof der Sine bezuschusst werden. Die Sparkassen Münsterland Ost und Beckum-Wadersloh übernehmen 50 Prozent dieser Kosten.
Besonders schade wäre es ebenfalls für das abwechslungsreiche und spannende Ferienprogramm, das der Bauhof der Sinne für Groß und Klein anbietet: Darunter zum Beispiel Ferienworkshops für alle Neugierigen und Technikbegeisterten. Elektronik-Löten-Kurse, und „Wir bauen eine Sensortaste“ locken viele Kinder und Jugendliche ins ehemalige Profiliagebäude an der Westkirchener Straße 90 in Ennigerloh.
Auch das Angebot „Wir bauen ein Auto“, das an jedem ersten Sonntag im Monat stattfindet und sich speziell an Kinder mit Eltern, Großeltern oder Onkel und Tanten richtet, wird gut angenommen. In den zwei Stunden wird ein funktionstüchtiges Auto gebaut und kann mit nach Hause genommen werden. Der nächste Termin der Autowerkstatt ist am Sonntag, den 03.07.2016 ab 11:00 Uhr. Es wird um Voranmeldung unter Tel.: 02524 / 262270 oder per E-Mail an info@Physik-zum-Anfassen.de gebeten.
Infos:
Kindergärten, Schulen, Jugendgruppen, Vereine und Familienkreise können den Bauhof der Sinne montags – donnerstags in der Zeit von 08:00 – 18:00 Uhr sowie freitags von 08:00 – 14:00 Uhr besuchen; letzter Einlass um 17:00 Uhr.
Für Jung und Alt ist der Bauhof freitags – sonntags von 14:00 – 18:00 Uhr geöffnet; letzter Einlass um 17:00 Uhr.
Es sind auch Führungen möglich! Zum Museum gehören auch eine Cafeteria sowie ein kleiner Museumsladen, in dem man Experimentiersets, Baukästen und vieles Mehr erwerben kann!
Eintrittspreise und weitere Informationen erhalten Sie unter www.bauhof-der-sinne.de